Providenz, Kirchturmspitze von Süden aus betrachtet und zur Bildergalerie   Providenz, westliche Kirchturmuhr und zur Bildergalerie

 

Literarische Begegnung

 

 

 

 

 

 

 

Einladung zur nächsten „Literarischen Begegnung in Providenz”

am 8. Februar 2008, 20 Uhr

Die „Literarische Begegnung an Providenz“ besteht nun schon fast ein Jahrzehnt; wie immer sind  interessierte Gäste willkommen. Wegen seines Umfanges haben wir uns als Ferienlektüre bis zum nächsten Treffen am Freitag, dem 7. September 2007 im Gemeindehaus, Karl-Ludwig-Straße 2, auf das Buch „Zeno Cosini“ von Italo Suevo festgelegt. Bitte melden Sie sich im Büro der Gemeinde oder bei Prof. Dr. Werner Fricke, Landfriedstraße 2, Telefon 0 62 21- 2 58 39, Telefax 0 62 21/60 26 92 oder e-mail: werner.fricke@geog.uni-heidelberg.de an.


3. Juni 2005

Liebe  Freunde der Literarischen Begegnung,

für unseres nächste Treffen wurde von der Mehrheit der Anwesenden der neue Roman von Jorge Semprún, „20 Jahre und ein Tag“, Suhrkamp, 2005 (spanisch 2003), € 19,95€ als Gegenstand unserer Besprechung ausgewählt. „Jorge Semprún hat einen dynamischen historischen Roman geschrieben,  ... über die politische Geschichte der letzten zwanzig Jahre der Franco-Diktatur“.

Der Klappentext verspricht weiter: „Abenteuer, ungezügelte Leidenschaften, großmütige Tasten und menschliche Verirrungen“.

„Der Spaziergang von Rostock nach Syrakus“ von Friedrich Christian Delius wurde als Lektüre sehr positiv bewertet. Schier unglaublich erschien es uns, wie „ein zu Höherem strebender“ Kellner sieben Jahre lang seine illegale Ausreise aus der DDR minutiös vorbereitet und durchführt, um dann wieder, wie geplant, zu seiner Frau zurückzukehren, der es alles verheimlicht hatte. Es spiegelt die Zeit ab des Jahres 1981 mit der Situation der zwei deutschen Staaten und die damaligen Schwierigkeiten des Reisens wieder.

Die angekündigte humorvolle und spannenden Erzählweise, nicht im gleichen Umfange seine Ausgewogenheit zwischen Ost-West, weswegen dieses Buch der Bevölkerung in der Rhein-Neckar-Region zum Lesen empfohlen wurde, kann nach der Lektüre bestätigt werden. Es bringt die DDR aus der Sicht eines schlauen Schwejks, der alle nur denkbaren Tricks anwandte, um an sein Ziel zu gelangen. Deswegen spiegelt es die dortigen Verhältnisse recht gut wider. Dagegen reagiert die Staatsmacht  bei seiner Heimkehr ungewöhnlich milde auf das Verbrechen der Grenzverletzung. Demgegenüber wird die  westdeutsche Bürokratie und Gesellschaft als wenig menschlich dargestellt. Sollte dies mit einer alten Ambivalenz des Autors zusammenhängen, die vielleicht noch auf gewisse Befindlichkeiten des Autors aus seiner Tätigkeit als Redakteur des Rot-Buch-Verlages herrührt? Frau Zuercher hat sich bereit erklär, hier noch literaturkritisch zu forschen. Als Schwäche wurde die klischeehafte, baedeckerartige Darstellung Italiens empfunden, oder war dies ein Stilmittel, um die Rückkehrwilligkeit glaubhafter zu machen?

Wieder war es eine anregende und gelöste Gesprächsrunde.

Wir sehen mit Spannung der Diskussion über den Gegenstand des Interesses auf unserer nächsten Sitzung entgegen und können uns dafür nur wieder wie bisher zahlreiche Teilnehmer und deren kluge Argumente wünschen.

Wie immer sind Gäste herzlich willkommen und ebenso wäre eine Rückmeldung für den Einkauf der Brezeln etc. wünschenswert.

Ein Frohes Pfingstfest!

Mit herzlichem Gruß bis zum Wiedersehen - auch im Namen meiner Frau -

Ihr Werner Fricke

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29. April 2005

Liebe  Freunde der Literarischen Begegnung,

leider konnten meine Frau und ich wegen einer Reise in unsere Partnergemeinde Glienecke /Nordbahn, angrenzend an Berlin-Fronau, und in meine  Heimat in Mecklenburg-Vorpommern, an der letzten Sitzung nicht teilnehmen. Wir wurden überall sehr gastlich aufgenommen; besonders eindrucksvoll war es, mit unseren Freunden das Osterfest zu feiern. In dem „Speckgürtel“ von Berlin gelegen – wie man die suburbane Zone respektlos bezeichnet – hat sich die politische Gemeinde nach der Wende von 4.000 auf 10.000 Einwohner vergrößert und die Kirchengemeinde wuchs sogar noch stärker von 1.000 auf fast 3.000 Mitglieder an.

Wie ich hörte, hatte das  „Train Dreams“ von Denis Johnson, (Deutsch, im marebuchverlag, 18 €), uns in 80 Jahre Leben des Tagelöhners Robert Grainier in Canada und lässt ein härteres Milieu erwarten.

Mit Spannung sehen wir dem Gegenstand des Interesses auf unserer nächsten Sitzung entgegen und können uns dafür nur wieder ebenso viele Teilnehmer und deren anregende Argumente wünschen.

Wie immer sind Gäste herzlich willkommen und eine Rückmeldung wäre für den Einkauf der Brezeln wünschenswert.

Mit herzlichem Gruß bis zum Wiedersehen - auch im Namen meiner Frau -

Ihr Werner Fricke

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1. April 2005

Liebe  Freunde der Literarischen Begegnung,

wiedereinmal bekannten Leser der zur Diskussion gestellten Novelle „Kreutzersonate“ von Margriet de Moor, dass sie das Buch hätten zweimal lesen müssen, um die Feinheiten der Begründungen der Charaktere und Handlungen ergebnisschwer analysieren zu können, da die Fakten dieser traurigen, als „Liebesgeschichte“ benannten Zweierbeziehung aus weit gestreuten Puzzel-Teilen zusammen zu setzen sind. Kein Wunder, führt doch die Novelle, nicht chronologisch geordnet, über mindestens drei Erzählebenen und 26 Jahre:

Ein Musikkritiker rekonstruiert als Ich-Erzähler für uns die anfangs ihm berichtete Vita eines erblindeten, sehr wohlhabenden und selbstherrlichen   älteren Kollegen, der mit einer in jeder Hinsicht hinreißenden Konzertgeigerin eine Familie gegründet hatte, dann aber von rasender Eifersucht gequält wurde. Legte Tolstoi 1891 in der namensgebenden Novelle die tragische Beichte des zum Mörder gewordenen, eifersüchtigen Ehemanns  in ein Eisenbahncoupé, so offenbart sich hier der Negativ-Held unserem fiktiven Berichterstatter bevorzugt bei Flügen. Bezog sich der aus Eifersucht zum Mord an seiner Ehefrau Hingerissene bei Tolstoi auf die als aggressive Dramatik zwischen den Geschlechtern interpretierten Tempi von Beethovens Sonate (1802/3), so wird hier deren paraphrasierende Steigerung durch Janacék (1923) mit erotischen Dreiecksbeziehungen unterlegt. Anders als bei Tolstoi missglückt der Mordanschlag und das Eifersuchtsdrama endet sehr viel später  schicksalhaft durch den Flugzeugabsturz der gefeierten Konzertgeigerin.

Die Autorin konstruiert – dem Kritiker der „Zeit“, wie auch mir zuviel - durch eine oft recht spannend geschriebene Handlung eine fast lückenlose Argumentationskette, um den autistischen Charakter des Blinden zu belegen und sein Verhalten nachvollziehbar zu machen. Dazu dürften die neurologischen Krankheitssymptome seiner selbstmörderischen Schussverletzung beigetragen haben, worauf die Medizinerinnen in unserem Kreise hinwiesen. Hatte Tolstoi sich mit einer obskuren Botschaft über die „natürliche“ Rolle der Geschlechter in der Ehe auseinandergesetzt, stellt Margriet de Moor der emanzipierten Frau den egomanen Mann gegenüber. Die Novelle ist als ein Extremfall in einem etwas steril wirkenden Milieu einer sublimen Kultur angesiedelt, in der Geld zu verdienen  keine Rolle spielt.

Dagegen führt die nach demokratischer Abstimmung beschlossene Lektüre „Train Dreams“ von Denis Johnson, (Deutsch, in marebuchverlag, 18€), uns in 80 Jahre Leben des Tagelöhners Robert Grainier in Canada und lässt ein härteres Milieu erwarten.

Mit Spannung sehen wir dem Gegenstand des Interesses auf unserer nächsten Sitzung entgegen und können uns dafür nur wieder ebenso viele Teilnehmer und deren anregende Argumente wünschen.

Wie immer sind Gäste herzlich willkommen und eine Rückmeldung wäre für den Einkauf der Brezeln wünschenswert.

Mit herzlichem Gruß bis zum Wiedersehen - auch im Namen meiner Frau –

Ihr Werner Fricke

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25. Februar 2005

Liebe  Freunde der Literarischen Begegnung,

sehr viel Arbeit, und mein Versäumnis, bei unserem letzten Treffen mitzuschreiben, hatten zur folge, daß ich erst heute meine Hemmschwelle überwinde, Ihnen die längst fällige Einladung zur nächsten Sitzung zu schreiben: Auf Vorschlag von Frau Käpple wollen wir die „Kreutzersonate – Eine Liebesgeschichtevon Margriet de Moor lesen. Das Buch wurde aus dem Niederländischen übersetzt und ist im Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv) erschienen; es kostet € 7,50.

Bei der Besprechung des Romans „Hanomag“ von Hella Eckert, hatten wir die seltene Chance, mit der Autorin über die von ihr geschaffenen Gestalten und deren Handlungen zu diskutieren. In dieser Erzählung wird die triste Situation einer Familie aus der Sicht eines 16- jährigen Mädchens geschildert, die den Wunsch hat, die an den äußeren Gegebenheiten zerbrechenden (Klein-) Familie zusammen zu halten. Der Hanomag-Laster ermöglicht dem Vater eine bescheidene Existenz und überbrückt das Warten auf eine Konzession für den Transport von Containern, für die in der Nachbarschaft schon die Hafenanlagen ausgebaut werden. Es ist eine phantasievolle Darstellung in einem hervorragenden Stil geschrieben, in der – etwa wie im Warten auf Godot – vom Leser der Plot (vergeblich) gesucht wird. Mancher von uns hat das Buch deswegen zweimal gelesen. Die Autorin erläuterte uns die Bedeutung von Schlüsselwörtern, die sie als Symbole für das Verständnis der Personen und Handlung eingesetzt hat. Für mich war besonders die anschauliche Darstellung der Örtlichkeiten ausgezeichnet gelungen.

Liebenswürdigerweise wird Frau Dr. Christern auf das Buch und unsere Diskussion darüber in einer Zusammenfassung eingehen und sie zur kommenden Sitzung mitbringen.

Wie immer sind Gäste herzlich willkommen und eine Rückmeldung wäre für den Einkauf der Brezeln wünschenswert.

Mit herzlichem Gruß bis zum Wiedersehen

Ihre Christa und Werner Fricke

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7. Januar 2005

Liebe  Freunde der Literarischen Begegnung,

im neuen Jahr wollen wir uns schon wieder früh treffen, da wir hoffen, daß uns die Feiertage Muße zum Lesen gewähren. Und schon lange wollten wir einem Roman von Hella Eckert, die bei uns in der Gemeinde lebt, lesen. Mit ihr verabredeten wir „Hanomag“, als Taschenbuch im Luchterhand-Verlag erschienen, gemeinsam zu besprechen. Eine seltene Chance, mit der Autorin über die von ihr geschaffenen Gestalten und deren Handlungen nachzudenken! Gleichzeitig wollen wir darauf hinweisen, daß Frau Eckert als studierte Germanistin, erfahrene Pädagogin und erfolgreiche Autorin unter dem Titel „Sheherezade in Providenz“  einen Kurs in kreativem Schreiben angekündigt hat. Ein interessantes Angebot, daß sicher auch außerhalb unseres Kreises Interessenten findet.

Der Roman von Michael Frayn, „Das Spionagespiel“, war keinesfalls „ein heiterer Krimi“, wie ich ihn unwissend ankündigte, sondern ein tiefgreifender Roman, der an die Wurzeln von Familie und Gesellschaft Englands im Zweiten Weltkrieg rührt und dabei auch durch das erst sich langsam enthüllende Emigrantenschicksal des Ich-Erzählers uns Deutsche mit einfing. Es wurde also keine „Abwechslung nach der schweren Kost des „Fangschusses“ geboten, wie ich schrieb, sondern alle waren gepackt und erschüttert über die Erfahrungen, die die zwei befreundeten Jungen unerwartet machen mußten und an denen auch ihre Freundschaft zerbrach. Wir alle waren Frau Bischoff dankbar, daß sie unsere Aufmerksamkeit auf diesen Autor gelenkt hatte, der im anglo-amerikanischen Raum auf Grund seiner erfolgreichen 16 Bühnenstücke und 13 Romane höchst anerkannt ist. Ganz leise nahm uns der seit dem nachgezeichneten Geschehen um fünf Jahrzehnte gealterte Erzähler in diesen stillen Wohnvorort von London mit und verknüpfte jedes der Einfamilienhäuser in seiner Erinnerung höchst anschaulich mit den damals dort Lebenden, typische Charaktere der englischen Mittelklasse jener Tage. Diese „Closed Quarters“ um eine Sackgasse waren die bevorzugte Wohnform in den Vororten der Zwischenkriegszeit und – wie sich herausstellte - nur scheinbar eine Idylle; die Geräusche der Eisenbahnzüge und der Militärflugzeuge verdeutlichten die drohende Nähe des Zeitgeschehens....

Freuen wir uns nun auf die Autorin und ihr Werk gleich nach den Weihnachtstagen, dem Neujahrsfest und Epiphanias!

Für die vor uns liegende Zeit wünschen alles Gute und ein gesundes Wiedersehen

Ihre Christa und Werner Fricke

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22. Oktober 2004

Liebe  Freunde der Literarischen Begegnung in Providenz,

dann wollen wir das Buch „Der Fangschuß“ von  Marguerite Yourcenar besprechen, das wie die Traumnovelle preiswert in der Bibliothek der Süddeutschen Zeitung erschienen ist.

Über die letzte Sitzung kann ich heute noch nichts berichten, da wir vom Heidelberger Ruderklub von 1872 eingeladen waren, um die Ehrung unserer Tochter Katharina als Vizeweltmeisterin im Doppelzweier auf der Ruder-Weltmeisterschaft der unter 23-jährigen in Posen mit zu feiern. So kamen wir erst zum Ende der Literatensitzung in eine fröhliche Runde, die gerade das obengenannte Buch ausgewählt hatte.

Schade, daß wir nicht mitdiskutieren konnten, ob das schwedische Mädchen Sara in ihrer unbekümmerten Selbstsicherheit sich auf eine reale Person aus den 30er Jahren des 19.Jhs. bezog, oder einer Wunschvorstellung des Carl J. Almquist entsprang, um aus den Fesseln der pietistischen Auffassung über außerehelichen Sexualität ausbrechen zu können.  Auf jeden Fall sollte er für diese als höchst freizügig bewertete Geisteshaltung im sittenstrengen Schweden vor Gericht gestellt werden und floh daher lieber nach Amerika. Aber darüber und wie auch Arthur Schnitzlers: Traumnovelle aufgenommen wurde, hoffe ich mit Hilfe einer freundlichen Rezensentin nachtragen zu können.

Auf jeden Fall strahlten die Teilnehmer Zufriedenheit über einen gelungenen Abend aus. Dies mag auch durch zwei schmackhafte Kuchen unterstützt worden sein, die von Frau Breit uns gebacken worden waren. Weil Sie uns darüber informiert hatte, konnten wir auf die üblichen Brezeln verzichten. Gut, daß wir die Getränke nicht reduziert hatten, wie wir auf Grund der fehlenden Anmeldungen es eigentlich hätten tun sollen.

Wir freuen uns auf ein gesundes Wiedersehen und grüßen Sie und alle interssierten „newcomer“ mit der Bitte um Ankündigung Ihres Kommens

Ihre Christa und Werner Fricke

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17. September 2004


Liebe
  Freunde der Literarischen Begegnung in Providenz,

wir wollen in der Ferienzeit zwei Bücher lesen, eine Neuerscheinung:
Carl J. Almquist: Die Woche mit Sara, Kindler, €14,90 (gegenseitig ausleihen lohnt!)
und
einen verbilligt erscheinenden Klassiker:
Arthur Schnitzler: Traumnovelle,
Süddeutsche Zeitung/Bibliothek,  4,90

Der Gedankenaustausch über Alain-Fournier´s Der große Meaulnes war sehr intensiv und anregend. Alle waren beim Lesen “vom Sog erfaßt“ worden und hatten den Roman mit großer Spannung gelesen. Dazu trug offenbar die Sprache bei, die in meiner Suhrkamp-Ausgabe von 1965 sich starker, heute ungewöhnlicher, altertümlich erscheinender Begriffe bedient. Die in starken Bildern geschilderte Welt war am Anfang zum Anfassen deutlich, die sinnliche Wahrnehmung des Geruchs frisch gepflügter Erde und sumpfiger Moore der Sologne verstärkten diesen Rückblick auf eine unschuldsvolle Jugend auf dem Lande, deren Armseligkeit einigen Lesern nicht verherrlichenswert erschien. Aber das einfache, dabei übersichtliche Leben auf dem Lande und der ferne Glanz des Schlosses in einer vorindustriellen Welt waren sehr real. Jedoch waren die Widersprüche zur Realität wichtige Aussagen: das geheimnisvolle, zauberhafte Schloß war nah und doch nicht wiederauffindbar, der Held ging am Haus vorbei und klopfte nicht an das Fenster... In diese Mischung von Traum und Wirklichkeit aus der Perspektive des 17jährigen Ich-Erzählers, Francois, war als bewundertes Vorbild Augustin, der große Meaulnes hinein gebrochen. An ihn verliert er seine heimlich Angebetete; dessen Abenteuer darzustellen, bedient sich der Dichter eines allwissenden Beobachters, wie auch bei der zusammenfassenden Berichterstattung der Hochzeitsnacht, die dann tragisch endet. Es lässt sich vorstellen, daß der bewunderte, in die düstere Eintönigkeit einbrechender Held, Projektion eines möglichen Rivalen des empfindsamen großen Dorf-Jungen war, der ihm die Angebetene raubt. War der Meaulnes, wie der Autor in einem Brief schrieb, gar ein schwarzer Engel, vielleicht ein alter ego? Die den verschiedenen Ausgaben beigegebenen Kommentare mit Angaben über die Realität, diesem „verlorenen Land“ der Jugend des Landschul-Lehrersohnes und einer schmerzlichen, vielleicht aus eigener Schüchternheit unerfüllten Liebe des 19jährigen, erfolglosen Studenten in Paris, lassen sich als eine symbolträchtige Geschichte in diese verwunschene Landschaft projizieren.

Mit diesem Roman erregte Henri Alban Fournier (1886 – 1914) vor dem ersten Weltkrieg großes Aufsehen; er traf tief das Empfinden jener Zeit. Als viel beachteter Dichter stand er mit den literarischen Koryphäen jener Epoche, wie Gide, Claudel, Pegui und dem eng befreundeten Schwager Riviére in befruchtenden Gedankenaustausch. Charles Piere Peguy (1873-1914) hatte mit den Erzeugnissen seiner Verlagsbuchhandlung dem Symbolismus wichtige Impulse gegeben. Die traumhaften Verzückungen des Helden erinnern nicht zufällig an die unwirklichen Erlebnisse des Taugenichts von Joseph von Eichendorf. Die deutsche Romantik des frühen 19.Jhs., besonders Novalis, stellt ebenso wie Schopenhauer, Nitzsche und die Musik Richard Wagners einen wichtigen Bezugspunkt dar. Sie lehnten
  die damals dominierenden, auf die realen Verhältnisse der Gesellschaft bezogenen kritischen Darstellungen in der Kunst ab. Sie zerlegten die reale Welt in Bildzeichen, oft ambivalente Symbole, die die Leser entschlüsseln sollten. Eine Poesie wird angestrebt, die Sprache ist Bedeutungsträger, wie wir es von Stefan George kennen. Eine besondere Typographie erinnert an den Jugendstil. Die Lebensphilosophie des seit 1900 an der Universität in Paris lehrenden und auch bei der akademischen Jugend in Deutschland viel beachteten Philosophen Henri Bergson (1859-1941) vertrat eine Gegenposition zur naturwissenschaftlichen begründenden Rationalität, da diese nicht fähig sei, die fundamentalen Impulse des Lebens zu erfassen. Das Leben ist weder rational noch zielgerichtet und in Hinblick darauf ist er als Der große Kamerad , oder The Wanderer von der Jugendbewegung aufgenommen worden. Ein Meisterwerk, das immer wieder auch in Deutschland gelesen und dabei neu interpretiert werden kann, wie es offenbar der Verleger Peter Suhrkamp Jahr für Jahr tat.

Mit dieser auch der Religion zugewandten Mystik verband sich die Notwendigkeit, das Vaterland mit dem eigenen Blut zu verteidigen, wie bei zahlreichen französischen Intellektuellen, so auch dem Leutnant Henri Alban Fournier, der schon im September 1914 erschossen wurde, und dem die Verherrlichung des „Stahlgewitters“ durch viele deutsche Intellektuelle gegenübersteht (FAZ Sonntagszeitung, 20.06.04), die für ihr Vaterland ebenfalls „den Platz an der Sonne“ erkämpfen wollten. Es lassen sich diese Bilder der Vergangenheit dann bis zum zweiten Weltkrieg fortzeichnen.

Wir waren uns einig, daß diese gut besuchte Sitzung durch die geordnete Diskussion allen Spaß gemacht hat und freuen uns auf ein gesundes Wiedersehen nach den
  Ferien und grüßen Sie mit der Bitte um Ankündigung Ihrer Kommens

Ihre Christa und Werner Fricke

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2. Juli 2004

Liebe
  Freunde der Literarischen Begegnung in Providenz,

„Das Leben ist zu kostbar, um es durch Anpassung zu verschwenden“ diese These machte den Roman „Die Entdeckung der Langsamkeit“ von Sten Nadolny (Erste Lesung 1980 in Darmstadt) zu einem Kultbuch, das 1983 erschien und die Geschichte von Sir John Franklin darstellt. Sie endet nach dessem Tode 1847 mit den Suchaktionen nach der gescheiterten Arktis-Expedition. Einzelheiten der Reise sind historisch nicht überliefert, außer weniger geographischer Ortsbestimmungen der beiden erzwungenen Überwinterungen und dem Todesdatum Franklins, sowie dem vergeblichen Versuch einiger Überlebender, sich zu Fuß über das Packeis zu retten. Alles andere entsprang der Phantasie des Autors. 1984 haben wissenschaftliche Forschungen die Gewißheit erbracht, daß nicht die Langsamkeit, sondern die vorschnelle Nutzung einer moderner Erfindung den Tod der Teilnehmer von Franklins Polarexpedition verursacht hatte: Statt an der bis dahin üblichen Mangelernährung zu leiden, wiesen die Opfer der Schiffsexpedition bereits im ersten Winter an den im Dauerfrost gut konservierten Leichen eine massive Bleivergiftung auf. Aber auch nach der Aufgabe ihrer Schiffe schleppten die völlig unzulänglich ausgerüsteten Überlebenden auf ihrem als Schlitten benutzten Rettungsboot dieses Gift mit ihrem Proviant mit. Denn die Innennähte der erstmalig für die Schiffsausrüstung benutzten 8.000 Konservendosen waren dick mit einer Blei-Zinn-Legierung verlötet worden, was zur einer tödlichen Bleivergiftung führte, die nicht nur durch Appetitlosigkeit und Wahnvorstellungen ihr Leben zerstörte. Erst 1890 verbot die britische Regierung die Produktion solcher Konserven (Beattie, O.& J.Geiger 1992: Begraben im Eis der Arktis. Das Geheimnis der verschollenen Franklinexpedition, Tessloff, Nürnberg).

Bis zum Ende des 19.Jahrhunderts spiegeln die polaren Entdeckungsreisen den nur langsamen und sehr verlustreichen Lernprozeß wider, sich durch die Anpaßung an die Überlebensstrategie der Eskimos und eine spezielle Schiffsbauweise den Umweltbedingungen im Packeis anzupassen. Geschichtlich bewertet, lebte der Held voll angepasst in seiner Zeit, in dem er sich der Verwirklichung nicht realisierbarer Globalisierungsziele verschrieb. Die 40 nach ihm ausgesandten Rettungsexpeditionen – die größte Anzahl in der damaligen Zeit – dürften als Indikator für das in jener Zeit starke politische Interesse an einer Nordwestpassage zu interpretieren sein (
Stein, G. (o.J.): Die Entdeckungsreisen in alter und neuer Zeit. C. Flemming, Glogau. Diese sind erneut am einem Beispiel im Roman von Andrea Barnett (1998) „Jenseits des Nordmeers“, Claasen, München, geschildert)
Wie auch sonst entfachte sich die Diskussion an möglichen realen Ursachen für den Charakter des Helden und
  seiner Mitmenschen. Man war voller Lobes ob  des Stils des Autors.

Dies galt auch für die amüsante „mythisch-poetische Fiktionale“, der Erlebniswelt des in unsere Gegenwart zurückgekehrten Götterboten Hermes. Quintessenz der Geschichte sei unser Problem, statt auf die Erlösung am Jüngsten Tag zu warten, sich schon heute für die Erfüllung des gegenwärtigen Seelenheils einzusetzen (
Th. Körbel (2001): Hermeneuthik der Erotik. -Religion und Biographie,Bd.6, Münster (Diss.)).

Uns erschien die Häufung von so vielen Bildungsbezügen auf die Dauer - nicht erst seit
Papalagi – ermüdend. Ich erinnerte mich an einen Ufa-Film mit Paul Kemper und Adele Sandrock.

Ausnahmsweise erbat ich als Lektüre für das nächste Treffen das mir seit Jahrzehnten aus der
Bibliothek Suhrkamp bekannte und von mir im unserem Kreise immer wieder vorgeschlagene Werk von Alain-Fournier: Der große Meulnes aus dem Jahre 1913. Dieses Mal ein Kultbuch der Generation vor dem ersten Weltkrieg, das heute noch in Frankreich Pflichtlektüre in den Schulen ist. Das Leben  von Fournier endete schon Ende September 1914 vor Verdun als Leutnant mit seinem Zug – vermutlich exekutiert – in einem Massengrab (FAZ 12.05.01, Nr.110. III). Weitere Recherchen und Gleichzeitiges in Deutschlands Dichterwelt sind gefragt! Erschienen ist das Buch am preiswertesten bei Reclam für € 6,30.

Wie immer wäre aus Gründen der Vorbereitung eine Anmeldung wünschenswert, jedoch sind spontan kommende Interessenten immer willkommen!

Bis zum Wiedersehen ein herzlicher Gruß – auch von meiner Frau –

Ihr Werner Fricke

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4. Juni 2004


Liebe
  Freunde der Literarischen Begegnung in Providenz,

nach meinem Besuch der Tagung der Association for Arid Lands Studies, diesmal in Salt Lake City, melde ich mich wieder bei Ihnen zurück! Wie mir erzählt wurde, gab es um Wiebke Bruhns Buch „Meines Vaters Land - Geschichte einer deutschen Familie“ eine intensive Diskussion. Das ist gut so, denn unsere Kreis hatte sich gebildet, um den „Literaturpapst“ Marcel Reich-Ranicki kritisch zu begleiten, da – erkenntnistheoretisch gesehen - es vielfältig gebrochene Ansichten darüber gibt, wie die Welt sei und damit auch die Bücher über sie.

Selbstverständlich gilt es auch für dieses Buch, das den Vorteil einer relativ seltenen Datenlage durch das Briefarchiv der Familie hatte, dessen Autorin jedoch gespalten wurde in der nachvollziehbaren Tendenz einer verstehenden Rechtfertigung des problematischen Vaters und der Familie in ihrer Zeit einerseits und christlicher Maßstäbe andrerseits. Darüber hinaus ist der Maßstab heute geltender „political correctnes“ für uns schwer davon zu subtrahieren. Bedenkenswert erscheint mir, dass in den USA den
  Vietnam- Veteranen ein psycho-therapeutisch behandlungsrelevantes Trauma durch ihre Kriegserfahrungen amtlich zugebilligt wird. Demnach könnte man ex post erklären, dass die Millionen von Soldaten des vierjährigen Weltkrieges nach dem für sie deprimierenden Vertrag von Versailles in diametralen rechten und linken Frontkämpfer-Verbänden ihre traumatischen Erlebnisse aktiv zu bewältigen suchten, die die ungeliebte Republik erschütterten. Weite Gesellschaftskreise waren durch den Verlust ihrer tradierten Stellung in der Monarchie und ihres Vermögens durch Kriegsanleihen und Inflation, verstärkt durch die sozial nicht „abgefederten“ Massenarbeitslosigkeit, in ihrer Urteilsfähigkeit so deformiert, dass sie einen Retter ersehnten. Dieser tiefen Veränderungen der bürgerlichen Lebensverhältnisse jener Zeit erinnere ich mich als ein Schulkind von Ostern 1933 in einer Kleinstadt. Da schon der erste Welle der Heimkehrer aus den Konzentrationslagern verboten wurde, über Politik zu sprechen, schotteten sich auch meine Eltern wegen möglicherweise plapperndem Kindermund (der ja sprichwörtlich die Wahrheit sprechen soll), in dieser Hinsicht vor mir ab.

In diesem Buch wird die schrittweise Machtübernahme und Aus- bzw. Gleichschaltung der politischen Kräfte, die Entfaltung des individuellen und geschäftlich notwendig erscheinenden Opportunismus des Vaters der Autorin auf dem Hintergrund der Familie Klamroth für mich nachvollziehbar dargestellt.

Ich hatte gleichzeitig das Buch von H. O. Meissner: Die Machtergreifung-30.Januar 1933, Herbig-Verlag ²2002, Esslingen, gelesen. Der Sohn des Staatsekretärs im Präsidialamt unter Ebert, Hindenburg und Hitler dokumentiert und kommentiert den Zeitraum von 1932 bis 1934. Ich hatte es mir gerade bei Versandbuchhandlung F.A. Taubert, Postfach 1557, 38657 Bad Harzburg, für 9.95€ gekauft, weil ich mich wegen der Handlungen und des Schicksals
  meines als Staatsminister a.D. 1933 zwangspensionierten, im Kriege wiedereingesetzten, herausragenden Lehrers mit dieser dramatischen Epoche wissenschaftlich beschäftigt hatte. Dr. R. Moeller starb 1945 im KZ der Sowjets.

Dem Ehepaar Drs. Hug gilt der herzliche Dank aller Mitglieder unsere Kreises für ihre organisatorische Mühe und die fürsorgliche Betreuung unserer Runde in dieser Sitzung!

Unsere nächsten Titel sind: Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit (355 S.) und vom gleichen Autor Der Gott der Frechheit (288 S.), Piper Verlag.

Wir bitten wieder um Anmeldung, jedoch sind wie bisher immer, auch spontan kommende Gäste willkommen!
  Bis zum Wiedersehen mit einem herzlichen Gruß – auch von meiner Frau –

Ihr Werner Fricke

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19. März 2004

Liebe  Freunde der Literarischen Begegnung in Providenz,

Theodor Fontanes herber Roman „Unwiederbringlich“ führte uns nicht nur in die Situation des Adels in Schleswig und Dänemark in der Mitte des 19. Jhs., sondern generell in die Probleme der Oberschicht in Norddeutschland um 1850. Denn Fontane benutzte die Dramatik der seiner Zeit stark beachteten Affäre des verheirateten Baron Plessen auf Ivenack (wo die mächtigen tausendjährigen Eichen, einem beliebten Ausflugsziel meiner Jugendzeit stehen). Der Baron war als Kammerherr verpflichtet am großherzoglich Mecklenburg-Strelitzer Hof zu posieren, damit es einen Hofstaat gab. Aus der Familienüberlieferung weiß ich, dass man sich dort exquisiter Bewirtung erfreuen konnte, denn dieses Haus war fast so wohlhabend wie das englische. Herr von Plessen war einer jungen adligen Hofdame voller „Piquanterie“ verfallen, wie Fontanes Informantin sie charakterisierte,  und scheiterte an dieser selbstbewussten jungen Frau. Das Ehe-Drama mit Scheidung, prunkvoller Wiederheirat und Selbstmord der gekränkten Gattin zeichnet die sich tragisch schürzende Konstellation (d. h. unwiederbringlich) in einer zu den Regeln stehenden Standesgesellschaft. Die Handlung hätte auch den Stoff für einem Courths-Mahler Roman bieten können, jedoch erweisen sich die klaren Dialoge der Akteure, die die Handlung vorwärtstreiben, und deren hintergründige Symbolik als die großartig eingesetzten Stilmittel eines genialen Schriftstellers. Der Roman wird dadurch ebenbürtig den Dramen auf der Bühne. Fontane führt auch mit diesem  Werk zu den kritischen europäischen Gesellschaftsromanen des frühen 20.Jhs. hin. Übrigens weist internet, was ich leider nicht vorher aufrief, 36 interessant klingende Titel der Literaturwissenschaft über dieses Werk nach! www.landslut.org/members/msagerer/f_unwiederbr.htm

Für mich war erstaunlich, wie Fontane die äußeren Umbrüche dieser zur kleindeutschen Reichsgründung 1871 hin führenden Epoche im Deutsch-Dänischen Grenzbereich mit den damit verbundenen militärischen und politischen Implikationen in Europa ausgeblendet hat, obgleich sie ihm als Kriegsberichterstatter und Zeitungsredakteur wohlvertraut gewesen sind. Als Erklärung dafür wurde in unserem Kreis angemerkt, daß er durch das Übergehen des Tagesgeschehens, das dem gebildetem zeitgenössischen Leser ohnehin vertraut war, voll auf  die Situation des Individuums in der Gesellschaft, der tragischen Verknüpfung der beiden so unterschiedlichen Akteure – der geradlinige Graf Holk und seine sensible, herrenhuterisch geprägte Frau Christine - hinlenken wollte.

Die Diskussion war dieses Mal  – trotz der Intensität und der anregenden Vielfältigkeit – sehr diszipliniert. Zitate von Alfred Kerr und die Tonbandwiedergabe der Würdigung des Lebens von  Theodor Fontane durch den Herausgeber der Gesamtausgabe seiner Werke – vorgestellt von Frau Lorenz-Rogler ergänzten die eigenen Beobachtungen und Interpretationen; sie reicherten die eigenen vielfältigen Beiträge aus unserem Kreis an.

Vielleicht hat die unerwartete Kuchengabe von Frau Dr. Lutz-Hug die Diskussion besonders harmonisiert?

Wir empfanden unsere Beschäftigung mit Fontane als so gelungen, dass  wir beschlossen, uns  mit dem Dichter in ein von ihm beschriebenes gegensätzliche Sozial-Milieu in Berlin zu begeben:

„Jenny Treibel“. Zu empfehlen ist eine Ausgabe mit erklärenden Anmerkungen, wie z. B. die bei DTV oder Reclam erschienene (so vermute ich).

Gäste sind wie immer herzlich willkommen und ebenso bitten wir wieder um die Ankündigung Ihres Kommens.

Bis zum Wiedersehen mit einem herzlichen Gruß – auch von meiner Frau –

Ihr Werner Fricke

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Informationen zu früheren Begegnungen finden Sie hier:


3.6.2005
29.4.2005
1.4.2005
25.2.2005
7.1.2005
22.10.2004
17.9.2004
2.7.2004
4.6.2004
19.3.2004

 

 

 

 

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